Der Regress und die Schuld, die er hinterlässt.
Dr. Müller ist nebenberuflich beratender Mitarbeiter in einer speziellen
Abteilung der KV. Er berät die einfachen Hausärzte dabei, keine Fehler bei der
Verschreibung zu machen, die andernfalls zu so genannten Regressstrafen führen
können, das sind oft 5-stellige und damit ruinierende Eurostrafen. Eine Art
Gericht mit Kassen- und KV-Mitarbeitern besetzt, bedroht den Arzt. Und Dr.
Müller soll ihn davor bewahren.
Auf den ersten Blick ein löbliches Unterfangen. Er hilft anderen Ärzten,
keine Fehler zu machen. Er bewahrt sie quasi vor Unbill.
Erst bei genauem Hinsehen erkennt man das Problem. Kollege Müller ist nicht
Helfer der Bedrohten Kollegen sondern ein Unterstützer in einem perfiden
Unrechtssystem. Oder wie sollte man die
Arbeit eines Rechtsanwaltes in einem Unrechtssystem bewerten? Ist er Nutznießer des Unrechtes, in dem er ihm den Anschein der
Legalität gibt oder ist er ein letztes Bollwerk gegen die Willkür? Vielleicht
denkt Dr. Müller nicht genügend über die Folgen seines Handelns nach?
Die Grenze zwischen Anklägern (Kasse und KV) und Dr. Müller, dem Helfer des bedrohten Arztes, ist gar keine
Grenze. Da sitzt nicht Staatsanwalt und Verteidiger. Nein, der Arzt sieht sich
einem Gremium gegenüber, dass sich in wichtigen Punkten einig ist, beide
Parteien folgen dem Credo, dass die Geldstrafen für unerwünschtes Rezeptieren
der Ärzte gerechtfertigt sind. Beide suchen die so genannten Verfehlungen des
Arztes zu finden und ignorieren, dass hier gar keine vorliegen.
Natürlich wird beflissen behauptet, der “Kassen-Arzt” habe die wichtige
Pflicht mit dem Geld der Allgemeinheit sorgsam umzugehen und wenn er hier einen
Verschwendungsschaden erzeuge, dann müsse er leider den Schaden ersetzen, das
sei doch nur recht und billig.
Diese griffige aber auf einer Reihe unrechter Voraussetzungen aufgebaute
These ist populistisch und so falsch wie gefährlich. Diese Praxis ist unrecht
und unbillig. Die Denkfehler dieses in weiten Kreisen abgenickten Modells
sollen gleich dargestellt werden.
Der einzige Schaden der wirklich entstanden ist, ist die Bedrängung eines Arztes. Durch
Drohung mit einer Geldstrafe wird er dreist zu kassenerwünschtem Verschreiben
erpresst.
Sehen wir uns einen Arzt an der vor den “Wirtschaflichkeitsausschuss”
geladen wird.
Dieser Opferarzt sollte unter Anwendung von äußerem Druck das Interesse
seiner Patienten verleugnen um selbst horrenden Geldstrafen zu entgehen. Er war nicht geschickt genug oder er handelte
zu sehr im Sinn seiner Patienten, deswegen muss er sich nun einer
Prüfungskommission stellen, die über ihn
urteilen wird.
In keinem Fall jedoch hat er die Interessen seiner Patienten missachtet.
Das wird auch von niemandem behauptet. Seine finanzielle Vernichtung droht,
weil er nicht genug Geld aus der Behandlung seiner Patienten abgeführt hat.
“Einsparen” ist ein Euphemismus. Wer beim Erhalt von Gesundheit spart, der
bewirkt eher schlechtere Behandlung als bessere. Das Einsparen hat primär keine
die Heilung fördernde Wirkung. Der Schaden, der durch Billigverschreiben
entstehen kann, soll hier beschrieben werden.
Für das Resultat ist wieder der Arzt juristisch haftbar und nicht die
Kasse und KV, die ihn dazu bedrängen.
Das frei werdende Geld wird natürlich nicht zweckgebunden für Patienten
verwendet.
Man findet es aber wieder, es ist sogar sehr gut sichtbar. Jeder kann es
betrachten, in Form von gläsernen Prunkbauten der Kassen. Strahlend und mächtig
recken sich Paläste architektonischer Kreativität in den Himmel. Wer in die
Chefetagen vordringen darf, sieht edle Innenarchitektur, geschmackvolles
Ambiente und die Verwirklichung von feiner Ästhetik, die in den modernen hellen
Räumen residiert. Man sieht die finanzielle Kraft und Selbstdarstellung eines
Privatunternehmens, das jedoch von gesetzlichen Beiträgen lebt.
Das Geld taucht auch an verborgeneren Stellen wieder auf. Man sieht es in
geschickter Dotierung hochrangiger Kassenvertreter, die sich selbst
astronomische Rentenansprüche durch günstige Fusionsentscheidungen sichern. Der
Bürger, gewöhnt an die betrügerische Finanzwirtschaft blickt resignierend weg.
Dabei wird ihm dadurch direkt das Geld für medizinische Hilfen entzogen.
Das Geld aus den eigentlich treuhänderisch zu verwaltenden Zwangsbeiträgen
wird auch umgeleitet in plumpe Mitgliederwerbung mit dümmlichen
Lockangeboten, die mit einem Mäntelchen aus Pseudomedizin verdeckt werden.
Bauchtanzgruppen für junge Mütter, Italienkurlaube und Wellness-Hotels mit
Kassenzuschuss verhöhnen die harte Arbeit der Landärzte und ihren ernst
gemeinten Sparwillen.
Die Geldverschwendung der Kassen kommt demgegenüber dreist und in aller
Öffentlichkeit daher.
Es wird nirgends die Bedeutung der Tatsache diskutiert, dass 90% der Bürger
starre Zwangsbeiträge abführen. Geld, das kein Ausdruck freier Wahl ist, kein
Beitrag an ein Privatunternehmen. Genau deswegen aber wären Kassen zu einem für
alle sichtbaren, bescheidenen Umgang mit den krisenfesten “Daueraufträgen” ihrer Mitglieder verpflichtet. Wäre hier eine Sparpflicht, wie das bei
“unverdient” erhaltenem Zwangsgeld logisch sein müsste, Milliarden könnten in
die Patientenversorgung sinnvoll umgeleitet werden. Wie so manche Finanzämter äußerlich
daherkommen, so müssten Krankenkassengebäude aussehen. Langweilige Bürogebäude
ohne Schmuck und Extravaganz. Das wäre ein Zeichen von Anstand und Redlichkeit.
Ein praktischer und preiswerter Einheitsbaustil müsste für alle diese Kassengebäude kennzeichnend sein. Fertigbausysteme statt Dubaifantasien.
An der unverfrorenen Ausgabe von Geldern die zur Genesung kranker Menschen
gedacht waren, in eindrucksvolle Prunkgebäude im teuersten Innenstadtbereich,
erkennt jeder reflektierende Deutsche, welche Interessen hier schamlos bedient
werden.
Die Manager der Kassen müssten selbstverständlich verbeamtet werden, denn
sie gehen mit Staatsgeld um, das natürlich so wie Steuern zu behandeln ist.
Jeder Bürger sieht doch, wie sein Krankenkassenbeitrag ohne jede Diskussion von
ihm eingefordert wird. Exakt so wie eine Steuer. Die Bezüge der Manager dürfen
sich nicht an Einnahmen in der freien Wirtschaft orientieren. Besonders große
Kassen entlohnen ihre Chefs mit Summen, wie sie in der Privatwirtschaft bezahlt
werden. Das sind dann so genannte „Managergehälter, an deren Fantasiehöhe der
Bürger schon gewöhnt ist. Bizarre Zahlen, die nur noch von den
„Piratenschätzen“ von Hollywoodstars getoppt
werden. Die Einkommen von Direktoren
der Finanzämter orientieren sich dagegen überhaupt nicht an der Höhe der dort erhobenen Steuerbeträge. Was
unterscheidet den Chef der einen von dem
der anderen Einrichtung? Nur die Möglichkeit, sich an den vorbei streichenden Geldern zu bedienen. Der Bürger wäre
von einer finanzamtgleichen Struktur, bei entsprechend eingesparten Gehältern sofort zu überzeugen.
Die aber dort üppig alimentierten Kostgänger sind von den angenehmen
Lebensumständen in den oberen Kassenetagen schon so verwöhnt, dass sie niemals
eine Rückstufung auf die Ebene von Beamten hinnehmen würden.
Die Kassen werfen dem Arzt nun ihrerseits Verschwendung vor. Ihm, der den
eigentlichen und zentralen Auftrag der Heilung verfolgt. Der Mediziner muss
sich täglich und ohne Anlass, routinemäßig mit großem Arbeitsaufwand durch
akribische EDV-Dokumentation seines Sparwillens gegen den permanenten
Generalvorwurf der Geldvergeudung wehren. In einer klassischen
Vorratsdatenspeicherung werden sämtliche Daten über die Verschreibung ständig
gesammelt. Bei einer Verletzung des
gigantischen und völlig unmedizinischen
Vorschriftendschungels werden die vom Arzt selbst erhobenen Daten schlagartig
gegen ihn verwendet.
Diese Dauerbedrohung vergiftet ein einstmals kooperatives Arbeitsmodell
zwischen Arzt und Kasse.
Die große finanzielle Belastung
durch die Arzneiausgaben wird von Politik und Kassen polemisch dem Arzt
angelastet. Zwei Begriffe werden dabei absichtlich unscharf eingesetzt.
Diese Begriffe heißen “Verantwortung” und “Verursachung”.
Der Arzt sei für die Rezepte verantwortlich. Er würde damit die Kosten
“verursachen”. Dieses Bild ist so oft in den Medien wiederholt worden, dass es
nicht mehr hinterfragt wird. Es ist aber falsch. Sehen wir uns die Begriffe
genauer an.
Verantwortung.
Der Arzt ist für die medizinisch korrekte Behandlung verantwortlich, nicht
für die Kosten der Pillen. Sein Rezept ist eigentlich eine Empfehlung an den
Patienten ein bestimmtes Medikament einzunehmen. Seine Expertise ist die
Therapieentscheidung. Die Kosten können niedrig oder hoch sein. Das kann er
nicht beeinflussen. Die Kasse nun sollte eigentlich die Kosten für das Rezept
erstatten, so wie das bei Privatpatienten für alle sichtbar abläuft.
Weil es aber die Verwaltung entlastet und weil es dem Patienten Umstände
erspart, wurde diese Erstattung der Rezeptkosten von den Kassen grundsätzlich
gewährt. Die Entscheidung war aber durch die Kassen selbst so gefallen. Darin
ist natürlich das Risiko verborgen, dass die Medikamentenkosten, weil sie von
den Kassen ungeprüft durchgewunken werden, für die jeweilige Kasse zu hoch
werden. Die Kostenhöhe wird von der Zufälligkeit von Erkrankungsfällen bestimmt
. Von deren Medikamentenkosten und deren Häufigkeit. Daran kann aber der
behandelnde Arzt nichts ändern. So etwas ist ein Risiko für das man eben eine
Versicherung hat. Wenn die Kasse die Rezepte für zu teuer erachtet, dann müsste
sie selbst diesen Einspruch äußern. Aber bevor das Rezept eingelöst wird, nicht
danach. Der Arzt hat seinen medizinischen Teil korrekt erfüllt. Er hat seinen
fachlichen Rat für eine bestimmte Therapie gegeben. Deren preiswerter Ankauf
und deren Erstattung ist Kassenaufgabe, nicht Arztaufgabe.
An dem Aufwand, den eine Prüfung der jeweils preiswertesten Verschreibung
im Nachgang machen würde, kann man die Umstände und die Kosten erahnen, die das
verursacht. Wie bequem war es da, einfach den verschreibenden Arzt zum
Kostenverantwortlichen zu erklären. Man spart immense Gelder und ist die
Verantwortung für die Ausgabenkontrolle scheinbar losgeworden. Das konnte nur
geschehen weil die unbedarften Ärzte das hinnahmen. Dieses Kuckucksei müssen
sie wieder aus ihrem Nest werfen. Wie das praktisch funktionieren kann soll
anschließend beschrieben werden.
Verursachung.
Der Arzt verursacht nicht den Einsatz der Medikamente, die Ursache für den
Medikamentenbedarf ist die Krankheit des Patienten.
So etwas ist allerdings viel sperriger und komplexer als der populistische
Vorwurf, die Ärzte hätten auch dieses Jahr wieder die auf soundso viele
Milliarden angewachsenen Medikamentenkosten verursacht. Das Denken ist in
Schablonen wie Schuld und Sühne viel einfacher und angenehmer, als in
Ursachensuche, die nicht in persönlicher Schuld gipfelt.
Weil die Ursache der Medikamentenkosten die jeweilige Krankheit ist, muss
ein Schicksal hingenommen werden an Stelle der publikumsbefriedigenden Schuld.
Das Konzept eines Schicksals ist auch juristisch unangenehm, weil es hier zu
keiner Verurteilung mit anschließendem Anwaltshonorar vom Schuldigen kommen
kann.
Die Lösungen des Kostenproblems.
Hätte das Gesundheitsministerium oder die Kassen das primäre Interesse die
Medikamentenausgaben zu vermindern, es gäbe hervorragende Lösungen. Die wären
aber nicht im politischen oder im Kasseninteresse. Die Politik pflegt
leider die Interessen von
einflussreichen und wohlhabenden Gruppen im Land. Das ist dann allerdings nicht
mit Kostensenkung im Gesundheitssystem vereinbar. Weil es gelingt, die Ärzte
als Verschwender von Versicherungsgeldern zu denunzieren, braucht man an den
wirklichen Hebeln nichts zu bewegen.
Politisch ist die große Zahl der deutschen mittelständischen Unternehmen,
die Medikamente an- und verkaufen erwünscht. Alle diese Unternehmen üben
Einfluss aus. Eine Einsparung der Kosten könnte erreicht werden, in dem an
Anstelle von 15 inhaltsgleichen aber anders benannten Pillen, nur eine von den
Kassen bezahlt würde. Die vielen bunten Schachteln würden vom Markt gefegt und
mit ihnen die daran verdienenden Unternehmen.
Welcher Politiker hält diesem Lobbydruck stand?
Die Kassen profitieren vom gegenwärtigen System. Jeder Tag, der ihnen die
Kostenverantwortung erspart und sie dem Arzt zusammen mit Regressbestrafung
überlässt, ist ein guter und lukrativer Tag für die Kassen.
Weil sich die Ärzte nie konkret und spürbar gegen die unbillige Bedrängung
wehrten, nahm die Einflussnahme auf ihr Verschreiben kontinuierlich zu. Kein
Wille zum Bewahren des einst freien Berufes, kein Widerstand wurde für die
Kassen und die KV spürbar.
Die Verwischung der Zusammenhänge von “Verantwortung” und “Verursachung”
rechtfertigten es scheinbar, den
einzelnen Arzt zur Verantwortung zu zitieren und die von ihm scheinbar
verursachten Kosten anzuprangern. Die Maßstäbe denen er zu genügen habe, wurden
nicht an medizinischen Werten orientiert, sondern an von Außen diktierten
wirtschaftlichen Vorgaben. Die Daumenschrauben der mit Geldstrafe ausgestatteten
Bedrängung wurden immer weiter nachgezogen.
Wo anfangs das so genannte “wirtschaftliche Verschreiben” noch dadurch
quasi “erreicht “ wurde, dass der Prozentsatz besonders preiswerter Medikamente
bei zB 60% lag, so wurde die “Latte” bis zur Straffreiheit einfach immer höher gehängt. Inzwischen ist
der Anteil dieser Generika schon bei 85%. Diese Zahl ist kein Zeichen schlechter Medizin, der Weg wie
sie erreicht wurde aber schon, nämlich mit finanzieller Drohung und Druck.
Ein teureres Schmerzmittel, das in der Anwendung für den Patienten sicherer
ist, als ein entsprechendes billigeres, darf der Arzt nicht verschreiben.
Beispielsweise darf er Schmerzpflaster, die weniger Gefahren bergen als
Tabletten nur einsetzen, wenn der Patient nicht mehr schlucken kann. Die
individuelle Entscheidung wird dem Arzt nicht mehr erlaubt. Er wird durch
Strafandrohung zum Billigverschreiben gedrängt.
Die Rechtfertigungsversuche für den hier aufgebauten Druck, sind eine
unglaubliche Verdrehung der Zusammenhänge. Der Arzt hat die von der Kasse
willkürlich festgesetzte “Einsparmenge” entweder aus der täglichen
Patientenversorgung zu entwenden oder den Betrag aus seinen Einnahmen selbst zu
entrichten. Dies ist weder recht noch billig. Es widerspricht den bestehenden
Verantwortlichkeiten.
Besonders durchsichtig wurde die Manipulation, als man
mit der Forderung viele Generika zu verschreiben nicht zufrieden war und auch
noch auf das rein betriebswirtschaftliche Ziel verwies, bestimmte Wirkstoffe
beispielsweise um 20% seltener zu verschreiben als bisher. Daran erkennt man
die plumpe Einmischung in die Medizin. Niemand darf einem Arzt vorschreiben,
bei seinen Patienten 20% weniger von einem wichtigen und wirksamen Medikament
zu verschreiben. Es wird aber dennoch widerstandslos so ausgeführt.
“Wirtschaftlich” verschreibt ein Arzt nach diesen betriebswirtschaftlichen Vorgaben
nur noch, wenn er immer weniger verschreibt. Das erinnert an den Scherz über
den Bauern, der seiner Kuh das Fressen
abgewöhnen wollte in dem er ihr immer weniger gab, ganz knapp bevor er das Ziel
erreicht hatte war sie tot.
Leider geht es hier um leidende Menschen. Aber niemand
stört sich wirklich daran. Als besonders hämischer Trick wird die Verantwortung
für die Behandlung immer beim Arzt belassen. Der wird zwar bedroht aber er
müsse der Drohung ja nicht nachgeben, er könne sich ja immer letztlich noch vor
Gericht dagegen wehren.
Es ist für einen Arzt ein untragbarer Konflikt,
gleichzeitig ein Medikament geben zu wollen und es aus Kostengründen verweigern
zu müssen.
Das ist so, wie der Feuerwehrmann der vorne den
brennenden Kindergarten löschen will, er kann nicht auch noch den Job haben
hinten das Löschwasser abdrehen zu müssen, wenn es zu teuer wird.
Das sind klassische Rollenkonflikte.
Eine solche Mechanik der Arztenteignung und
Arztbeschuldigung konnte nur durch juristische Winkelzüge entstehen. Der
wichtigste davon war die Festlegung, der Kassenarzt sei zu “Wirtschaftlichkeit” verpflichtet. Niemand wird leugnen, dass
redlicher Umgang mit fremden Geldern verlangt werden kann. Aber es ist etwas
anderes, was damit als “Trojaner” eingebracht wurde. Es wurde eine persönliche
Haftung für die Billigstverordnung jedes einzelnen Rezeptes verfügt. Wer wegen
Centbeträgen zu einer Summenhaftung sämtlicher Medikamente herangezogen wird,
wer diese Aufrechnung alle 3 Monate vorgehalten bekommt, der ist persönlich
haftender Prüfarzt der Kassen geworden. Eigentlich hält sich die
Kassenlandschaft in Deutschland zum Prüfen aller möglichen Kostenstellen den
„Medizinischen Dienst der Krankenkasse“, den MDK. Weshalb nun werden die
MDK-Ärzte nicht auch in persönliche
Haftung genommen, so wie die Niedergelassenen? Sie sind doch nur zum Einsparen
angestellt?
Weil dann niemand diese Arbeit leisten würde.
Das Übergeben des Sparens an die Ärzte in eigener Praxis ist
ganz und gar nicht selbstverständlich. Es ist zwar die rationellste Lösung
aber sie macht den Arzt in manchen
Situationen zu einer gespaltenen Persönlichkeit. Er muss billigere und damit
oft genug schlechter passende Medikamente hergeben, wo er um die besseren und
teureren weiß. Aus realer Furcht vor drakonischen Strafen verschreibt er aber
so schlecht wie ihm geheißen wird. So etwas ist Bedrängung und Erpressung zu
Verschreibung als Selbstverteidigung.
Natürlich ist aus Sicht der Kassen der Arzt selbst
optimal positioniert, das Geld, welches er für seine Patienten ausgeben soll
gleich wieder für die Kassen einzubehalten. Das ist für Ersteren ein Spagat und
für Letztere praktisch. Aber “Bequemlichkeit” für den mächtigeren Partner darf
nicht mit “richtig” verwechselt werden.
Es kommt doch auch niemand auf die Idee zu sagen, dass
bei Tarifverhandlungen nur der Arbeitgeber die Löhne festsetzen soll und die
Gewerkschaft das akzeptieren muss.
Etwa deswegen, weil der Arbeitgeber richtig positioniert
ist, er hat die Firma, er ist ideal qualifiziert, er kennt die Bilanz aber das
wichtigste ist, er hat andere Interessen als der Arbeitnehmer.
Interessenkonflikte werden in Verhandlungen auf Augenhöhe
ausgeglichen. Die Bequemlichkeit zählt dabei nicht! Diktaturen sind auch die
bequemste politische Struktur. Für den Diktator.
Was könnte praktisch getan werden um die Ärzte aus ihrem
Interessenkonflikt zwischen Dienst am Menschen und Schutz vor Strafzahlungen zu
befreien?
Der auf der Hand liegende Weg ist die Trennung der
Personen, die für die verschiedenen Interessen eintreten müssen.
Der Arzt muss für die Behandlung verantwortlich sein.
Die Kostenkontrolle muss an die Kassen zurückfallen.
Der Ablauf der Verschreibung kann dennoch fast
störungsfrei verlaufen. Problemlos verschreibbare Generika könnten in Form
einer Positivliste ausgewiesen werden. Wer diese Medikamente für seine
Patienten wählen kann, hat keinen Widerstand zu erwarten. Bei einer
ausgewählten Gruppe kritischer Medikamente würde ein Genehmigungsvorbehalt
bestehen, der online über einige Fragen per Mausklick bearbeitet werden könnte.
Das würde 80% der Problemfelder abdecken. Der Rest könnte vom MDK erledigt
werden, wenn das kosteneffizient wäre. Verlängerungen von
Physiotherapierezepten zB oder Rezepte die im Nachhinein häufig vor dem
Sozialgericht landen, solche “Off Label
Use” Medikamente könnten vom MDK verschrieben oder vorenthalten werden. Wenn das dann nicht wirtschaftlich ist, muss
es eben unterbleiben. Damit wäre den Regressen die Grundlage genommen. Die
Illegalität der bisherigen Regressbestrafungen wäre damit allerdings noch nicht
aufgearbeitet.
Außerdem wären einige Maßnahmen durchführbar, die große
Summen beim Verschreiben sparen würden und gleichzeitig die
Arzneimittelsicherheit deutlich erhöhen würden.
1. Der Arzt verschreibt die gewünschte Zahl der
Medikamente, keine starren “Mülleimermengen” N3 oder Kleinstmengen N1, die nur
für das Notdienstwochenende reichen.
2. Der Arzt bekommt aus einer Positivliste höchstens 2
oder 3 verschiedene Markennahmen von einem Wirkstoff, den er verschreiben
möchte und nicht 20 Markennamen von Anbieter A bis Z (wie Zaster).
Die Auswahl der sinnvollen Wirkstoffe übernimmt eine
nüchterne wissenschaftliche Einrichtung. Solche neutralen
Arzneibewertungsstellen gibt es schon.
3. Der Apotheker füllt die angegebene Zahl der Pillen in
kleine langweilige braune Plastikfläschchen mit kindersicheren
Schraubverschlüssen, klebt ein von ihm ausgedrucktes Etikett drauf und fertig. Es
hätte ein Ende mit den 20 bunten Schachteln pro Wirkstoff, mit “Das mit der
gelben Schachtel will ich auch Herr Doktor, das nimmt mein Nachbar auch!” Und
es hätte ein Ende mit endlosem Lobbyistendruck auf die “Gesundheitsexperten”
der jeweiligen Regierung um jeder Pharmahandelsfirma einen Platz am gedeckten
Tischlein zu ermöglichen. Wenn man allerdings weiß, wer an der bisherigen
Praxis wie viel Geld verdient, dann weiß man auch was passieren wird. Nichts!
4. Der Arzt müsste ein so genanntes Dispensierrecht
erhalten. Der Arzt würde die Medikamente in seiner Praxis abgeben. So wie die
Ersatzteile von Autos in den Autowerkstätten bereitgehalten werden, so wäre es
logischerweise auch beim Arzt. Es ist
für über 90% der Medikamente völlig problemlos, eine Lagerhaltung in den
Praxisräumen des Arztes zu ermöglichen. Das in Deutschland geübte Verbot der
Aushändigung von Medikamenten beim verschreibenden Arzt ist reinster Lobbydruck
der Apotheker und stellt den Patientenbedarf auf den Kopf. Die Gründe für die
Apothekenpflicht sind reinste Geldverschwendung zum Schaden der Allgemeinheit
und zum Nutzen der Apotheker.
Die persönliche
Haftung für die Kosten eines hohen öffentlichen Gutes durch Strafzahlungen gibt
es nur in Deutschland und dort auch nur beim ärztlichen Verschreiben.
Zigtausende Menschen verwalten bei uns öffentliche Gelder
zum Nutzen der Bürger. Niemand wird dafür in persönliche Haftung genommen. Es
sei denn, ein kriminelles Handeln wäre nachweisbar. Diese eklatante
Ungleichbehandlung skandalös. Der für diese Verletzung der ärztlichen
Handlungsfreiheit Verantwortliche ist die Ärztekammer, denn sie hat es
hingenommen. Selbstverständlich versickert dieser Fehler im porös blasierten
System der homöopathischen Verdünnung von Verantwortung eines kafkaesken Systems.
Der Anschein von Recht in einem grotesken Unrecht konnte
gewahrt bleiben, weil alles was bei zu kurzem Nachdenken logisch erscheint,
bereits in ein Verfahrensrecht gegossen wurde und damit „geregelt“ ist. Diese
Regel heisst SGB5. Dort sind die Bedrängung des Kassenarztes und des Hausarztes
im Besonderen akribisch beschrieben.
Wer es sich einfach machen will, der kann auf dieses
Gesetz verweisen und alles was mit den Ärzten geschieht damit gut heißen.
Spätestens aber beim Anblick der Prüfungsgremien, ihrer Zusammensetzung und der
Prüfabläufe, sollte beim kritischen Betrachter ein Unbehagen keimen. Jeder
Mensch mit Gerechtigkeitsgefühl und besonders jeder niedergelassene Arzt sollte
spüren, was hier passiert.
In den Prüfungsgremien in denen Jahre nach der jeweiligen
Rezeptabgabe die einzelnen Medikamente den Ärzten zur Bezahlung aufgebürdet
werden wird eine scheinjuristische Scharade exerziert. Verwaltungsangestellte
haben Stimmrecht bei einem Scherbengericht über den Arzt. Alle Täter sehen danach
weg, wenn ein Arzt bis zum Ruin finanziell bestraft wird und die anderen,
arbeitenden Ärzte diese Strafandrohungen als ganz reale Erpressung erleben. Allein
die Drohung ist ein wirksames Mittel zur Manipulation des Verschreibens
tausender Ärzte.
Vor dem Hintergrund dieser Verbiegung einst aufrechten
ärztlichen Verhaltens, zum Schaden der Patienten und zum Nutzen der Bilanz Geld
verschwendender Kassen, wird das Fehlverhalten des eingangs erwähnten Kollegen
Müller offenbar.
Kollege Müller meint, dass er zwar ganz brav alle Regeln
des SGB5 beachtet, als wären es Verkehrsregeln. Es macht aber einen Unterschied
aus, bei was man mitarbeitet. Sich nur auf die Regeln zu berufen ist zu wenig.
Müller sollte aus dem System aussteigen. Er sollte erkennen dass er sich
schmutzig macht.
Er sieht
zwar, welche Schäden dieses Strafsystem oft erzeugt aber redet sich ein, doch wenigstens bei den angeklagten
Ärzten zu sein, ihnen zu helfen keine Fehler zu machen.
Hat es
gereicht in der DDR Rechtsanwalt zu sein und Menschen vor Gericht zu
verteidigen?
Kollege
Müller gibt mit seiner persönlichen Seriosität dem Gesamtverfahren einen
Anschein von Honorigkeit. Aber Menschen mit Anstand und Gewissen machen bei so
etwas nicht mit.
Wenn er erst
einmal wirklich verstanden hat, wie zutiefst unrecht mit den deutschen Ärzten
umgegangen wird, dann wird er nicht nur sein Amt als Ärzteberater der KV
niederlegen, sondern er wird Schadensersatz für alle bisher zu Regressen
verurteilten Kollegen fordern.
Erst wenn mit Macht ein
Schadensersatz gefordert wird und die ersten beschädigten Ärzte Entschädigung
für das erfahrene Unrecht erhalten haben, ist ein Weg zur Genesung beschritten.
Es ist nicht nur nötig diese Praxis der Ärztedemütigung zu beenden, sondern das
begangene Unrecht aufzuarbeiten.
Ein Hausarzt spürt den
scharfen Hieb,
der Krankenkasse, die
ihm schrieb:
Es sei ihr fester Kassenwille
Der Hausarzt zahlt
jetzt vierzig Mille
Das Geld soll nicht
nur ihn bestrafen
Es droht auch allen
andern Schafen
Es führt der ganzen
Herde vor
Rezepte sind ein
Eigentor
Wer ohne Pillen heilen
kann
Der ist der Kassen
liebster Mann
Benutzt er das Rezept,
das teure
Bespritzt man ihn mit
Geldstrafsäure.
Man tunkt ihn in
Regressigsaft
Schafsdumm schweigt
die Kollegenschaft
Der letzte Optimismus
bricht
Beim Gang vor das
Sozialgericht.
Der deutsche Hausarzt
raunt betroffen:
„Wer diesen Job will
ist besoffen.“